Thema: Der Russlandfeldzug Napoleons 1812 und die Schweiz
Samstag, 25. Februar 2012, 0945 bis 1230 Uhr, ETH Zürich, Raum E 7
2012 jährt sich zum 200. Mal der Russlandfeldzug der „Grande Armée“ Napoleons. Die GMS widmet diesem Ereignis nicht nur zwei Reisen im Juli und August, sondern auch die Frühjahrstagung, der rund 180 Personen gefolgt sind.
Der Russlandfeldzug und das Schicksal der Schweizer sind schon vielfach diskutiert und publiziert worden. Der GMS ging es in der Tagung primär darum, nach einem einleitenden Überblick über den Verlauf des Russlandfeldzugs Einzelschicksalen auf den Grund zu gehen.
Grenadieroberleutnant Thomas Legler
Die Erlebnisse von Thomas Legler im Russlandfeldzug schilderte der ehemalige Kantonsschullehrer und Rektor Jean Jacques Streiff, Brigadekommandant a D. Er hat sie auch in einem jüngst herausgekommenen Buch niedergeschrieben. Thomas Legler, geboren 1782, hat als Zugführer und Grenadieroberleutnant den Russlandfeldzug erlebt. Ab 1803 diente er im 1. Schweizerregiment unter Ragettli und stand im Dienst des Königreichs Neapel. 1811 kam der Befehl, nach Stettin zu verschieben, wo sich alle vier Schweizer Regimenter für den Russland Feldzug besammeln mussten. Die vier Regimenter wurden Oudinot zugewiesen. Gegner war das russische Heer von Graf Wittgenstein. Die Schweizer waren vielfach Reserve, weil sie gut als Verteidiger eingesetzt werden konnten. In der zweiten Schlacht von Polozk standen sie hingegen an der Front. Legler gelangte danach an die Beresina. Seine Aufzeichnungen geben Auskunft über das Ausmass des Krieges. Von ehemals 1‘300 Schweizern im Korps Oudinot verblieben am Abend des 28. November nach der denkwürdigen Schlacht an der Beresina nur noch 300. Zu diesem Zeitpunkt stimmte er jenes Lied an, das heute als Beresinalied eine grosse Bekanntheit erreicht hat. Vom Beresinalied war lange nichts bekannt. Erst 1868, als der Sohn von Thomas Legler das Lied aufzeichnete, kam es an die Öffentlichkeit. Der Begriff Beresinalied ist erst seit 1912 gebräuchlich, als Hans Indergand sein Gesangsbuch für Soldaten herausgab und das Lied als solches bezeichnete. Thomas Legler hatte das Privileg, als einer der wenigen in die Schweiz zurückkehren zu können. Er diente später als Hauptmann unter Ludwig XVIII, dem Nachfolger Napoleons.
Das Schicksal der Luzerner Soldaten
Die Luzerner Historikerin Ruth Estermann setzte sich in ihrer Masterarbeit mit dem Schicksal der Luzerner Soldaten auseinander und machte eine Untersuchung über das Rekrutierungswesen im Kanton Luzern, die Gründe und das Schicksal der Luzerner Soldaten und wer sie waren. Gemessen an der Bevölkerungszahl musste der Kanton Luzern 896 Soldaten stellen. Die Anwerbung war schwierig, da Frankreich nach der Besetzung der Schweiz nicht mehr beliebt war. Für den Dienst musste sich jemand für mindestens vier Jahre verpflichten. Jede Gemeinde selbst musste ihre Leute finden. Es gab ein Prämiengeld von 8 bis 32.- und ein Anbringgeld für Werber von 8 bis 24 Franken. Ab dem 31. Dezember 1806 war eine Zwangsrekrutierung für Diebe, Kritiker der Regierung und der Kirche, Nachtschwärmer ua. per Gerichtsbeschluss möglich. Für jene, die freiwillig in den Dienst gingen, war Geld die grösste Motivation. 55% waren Knechte aus der Landwirtschaft, 13% Handwerker und 13% Leute aus dem Textilgewerbe bzw. 8% aus dem Baugewerbe. Im Schnitt zählten sie 24 Jahre. Die meisten Männer aber waren bei der Anwerbung 18 oder 19 Jahre alt. Anhand des Beispiels von Heinrich Peyer (1785) aus Willisau schilderte Ruth Estermann Motive, Anwerbung und Dienst während des Russlandfeldzugs. Die Aufzeichnungen publizierte seine Ehefrau Katharina Morel.
Gründe für den Krieg
Gründe für den Russlandfeldzug nannte einleitend Hans Rudolf Fuhrer. Sie lagen in Napoleon Bonaparte (1769-1821) als Person, der abgöttisch verehrt wurde, aber auch in der Person von Alexander I. (1777-1825), der infolge der Kontinentalsperre unter dem Druck der Kaufleute in Russland stand und seine persönliche Ehre und jene Russlands herstellen musste. Alexander I., der kein Stratege war, überliess die Kriegführung seinen Generälen, die defensiv war. Die russische Seite ist ohne grosse Absprachen in den Feldzug gegangen. Für die Niederlage Napoleons gab es viele rationale Gründe wie die ungeheure Ausdehnung des Landes, die Versorgung, die Flussübergänge als schwer zu bewältigende Hindernisse, die schwierige bis unmögliche Koordination der Aktionen und andere. Als der erste Schnee fiel und Napoleon feststellte, dass er zu lange in Moskau verweilte, war er schon besiegt.
Dr. Dieter Kläy, Winterthur